Auf den Spuren von Paula Modersohn-Becker

Gegen alle Widerstände ging sie unbeirrbar ihren Weg und fand schließlich ihren eigenen Stil, für den sie die Nachwelt bewundert: Die Malerin Paula Modersohn-Becker

Die junge Paula Becker, die im nahen Bremen lebte, kam erstmals im Sommer 1897 nach Worpswede. Um die Jahrhundertwende war das Dorf, inmitten des Teufelsmoors gelegen, eine Künstlerkolonie. Hier lebten und arbeiteten Maler, wie Fritz Mackensen, Hans am Ende und Otto Modersohn. Haupttreffpunkt war der Barkenhoff, in dem Heinrich Vogeler mit seiner Frau Martha lebte. Auch die Dichter Carl Hauptmann, der Bruder von Gerhart Hauptmann, sowie Rainer Maria Rilke waren hier oft zu Gast.
Das Haus wurde zum Museum. Der Spruch auf dem Nordgiebel - von Rilke verfasst - ist noch heute gut lesbar.


Der Barkenhoff heute
Damals Wohn- und Atelierhaus von Heinrich Vogeler

Die Bürgerstochter Paula Becker war schon früh an die schönen Künste herangeführt worden. Sie wollte freie Künstlerin werden - ein ungewöhnlicher Wunsch für eine Frau ihrer Zeit. An einer Kunstakademie durfte sie nicht studieren: Frauen hatten dort zu der Zeit noch keinen Zutritt. So war der Weg zur anerkannten Malerin hart. Sie hatte gegen viele Widerstände anzukämpfen. 


Worpswede heute

Insbesondere war sie von dem Farbenspiel und der einsamen Landschaft beeindruckt, die sie in etlichen Bildern festhielt. Zunächst nahm sie Malunterricht bei Fritz Mackensen. Im Herbst 1898 erfolgte die endgültige Übersiedlung nach Worpswede.

"Paula kann Gerüche malen. Vielleicht könnte sie sogar Musik malen, ein Konzert, das man nicht nur sieht, sondern zu hören glaubt. Ein Bild gewinnt seine Kraft nicht aus dem, was man malt, sondern aus dem, was die Pinselstriche und die Formen umgebit, was sie einspinnt wie ein unsichtbares Netz ..." (Klaus Modick: Konzert ohne Dichter)

Erste Bilder in einer Ausstellung der Bremer Kunsthalle im Jahr 1899 erfuhren vernichtende Ablehnung.
Ironie des Schicksals: Das 1927 erbaute Paula Modersohn-Becker Museum in der Bremer Böttcherstraße ist das erste Museum weltweit, das dem Werk einer Malerin gewidmet ist.

In Worpswede freundete sie sich mit der Künstlerin Clara Westhoff an. Wie übermütig die beiden jungen Frauen sich zeitweise gebärdeten, wird eindrucksvoll in dem Film "Paula" (biografisches Filmdrama aus dem Jahr 2016 von Christian Schwochow) dargestellt.


Clara Westhoff-Rilke, gemalt von Paula Modersohn-Becker, 1906

Kunsthalle Hamburg

Ein Streich der beiden Freundinnen wurde publik, als sie in der Worpsweder Zionskirche zum Spaß die Kirchenglocken läuteten - was als Feueralarm missdeutet wurde. Als Wiedergutmachung wurde ihnen aufgetragen, Engelsputten und Blumenornamente an der Empore anzubringen. Erst nach Jahrzehnten der Übermalung wurden diese wieder freigelegt und sind noch heute zu besichtigen.

Im Barkenhoff lernt Paula den Dichter Rainer Maria Rilke kennen, "ein feines, lyrisches Talent, zart und sensitiv", wie sie in ihrem Tagebuch am 3.9.1900 festhält. Rilke nennt sie und die Freundin "Mädchen in Weiß". Zwischen ihm und Clara bahnt sich eine Beziehung an. Die beiden heiraten im Jahr 1901.

Im selben Jahr heiratet auch Paula den elf Jahre älteren Witwer Otto Modersohn. In ihm glaubte sie nicht nur einen Seelenverwandten, sondern auch den richtigen Partner fürs Leben gefunden zu haben. Paula war 25 Jahre alt. Gleichzeitig wurde sie Stiefmutter von Modersohns kleiner Tochter Elsbeth, die sie in einer Reihe Kinderbilder festhielt.

Ihr Mann unterstützte sie und erkannte als einer der wenigen Zeitgenossen ihr außerordentliches künstlerisches Talent - obwohl ihre Werke völlig anders waren als die der damals üblichen Malerei.  Ihr Atelier, das „Lilienatelier“, war eine kleine Klause auf dem Hof des Bauern Brünjes. Rilke nannte ihr Atelier "Lilienatelier". Eigens für sie wurde im Strohdach des Hofs ein Oberlicht eingebaut. Hier entstanden zahlreiche Bilder, die erst nach ihrem Tod entdeckt wurden und große Bewunderung auslösten. Heute befindet sich hier eine Ferienwohnung.

Um der Enge Worpswedes zu entfliehen, reiste Paula mehrmals nach Paris, wo sie jeweils während längerer Aufenthalte an der Akademie Colarossi und an der École des Beaux-Arts studierte und die Pariser Kunstszene kennenlernte. Später belegte sie auch Kurse in Aktmalerei. Sehr beeindruckt war Paula von dem Maler Paul Cézanne.

Auch Clara Westhoff hielt sich öfter in Paris auf. Gemeinsam besuchten die Freundinnen Ausstellungen und Galerien, um die modernen französischen Maler kennenzulernen. Rilke arbeitete als Sekretär bei dem Bildhauer Auguste Rodin. Paula lernte ebenfalls Rodin kennen, der inzwischen Claras Lehrmeister war.

Ihre Kunst veränderte sich immer mehr in eine expressionistische Richtung - und sie erntete immer mehr Kritik. Sogar der ihr ansonsten so wohlgesonnene Ehemann mäkelte: "Paula hasst das Konventionelle und fällt nun in den Fehler, alles lieber eckig, hässlich, bizarr, hölzern zu machen ... Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden ..." schreibt er in seinem Tagebuch am 26.9.1903.

Im Jahr 1906 entstanden Selbstbildnisse, die als die ersten Akt-Selbstdarstellungen der Kunstgeschichte gelten - die aber zu ihrer Zeit gegen jede Konvention verstießen.

1907 kehrte sie nach Worpswede zurück. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter Mathilde im selben Jahr starb sie im Alter von 31 Jahren. Ihre letzten Worte sollen gewesen sein: "oh wie schade ..."

Paula Modersohn Becker wurde auf dem Worpsweder Friedhof hinter der Zionskirche begraben.

Heute ist sie das Aushängeschild Worpswedes. Kein anderer Maler aus dem ehemaligen Künstlerkreis reicht auch nur annähernd an ihr Renommee heran. wird Paula Modersohn-Becker, die während ihrer Lebenszeit nur sehr wenige Bilder verkauft hat, als eine der bedeutendsten Vertreterinnen des frühen Expressionismus angesehen. In den knapp 14 Jahren, in denen sie künstlerisch tätig war, schuf sie 750 Gemälde und etwa 1000 Zeichnungen.

Im Arp-Museum Rolandseck: Tausche Monet gegen Modersohn-Becker - die sehr sehenswerte Ausstellung fand im Herbst 2022 statt

Arp Museum Rolandseck

 

Zahlreiche Bücher zu Paula Modersohn-Beckers Werk und Leben sind erschienen.
Bemerkenswert ist insbesondere der Roman von Klaus Modick: "Konzert ohne Dichter" (2015). In der "eleganten Worpswede-Fantasie" wird das Verhältnis von Rilke und Paula auf eine interessante Art interpretiert.